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Impuls zum 11. April 2021

Zum Weißen Sonntag

Von Veronika Hüning, (Höhbeck im Wendland), pax christi-Diözesanverband Hildesheim

Tag der offenen Tür
Wir feiern heute den ersten Sonntag nach Ostern, den Weißen Sonntag. Weiß ist die „Farbe“ der Freude, des Neuanfangs. Der heutige Sonntag wird auch Sonntag der Barmherzigkeit genannt. Gott ist barmherzig – er wendet sich uns immer wieder liebevoll zu. Wir sind gerufen, barmherzig zu sein wie unser göttlicher Vater. So ist dieser Sonntag für mich der „Tag der offenen Tür“: Das Evangelium erzählt von einem Neuanfang für die Jüngerinnen und Jünger Jesu: Sie öffnen ihre Türen wieder, hinter denen sie sich ängstlich verschanzt hatten. Und Barmherzigkeit öffnet Türen: für die Menschen, die Zuwendung und Hilfe brauchen.

Gebet
Barmherziger Gott! Jedes Jahr wieder feiern wir die Auferstehung deines Sohnes, Jesus Christus. So erneuern wir unseren Glauben und beleben unsere Hoffnung auf dein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens. Hilf uns, immer tiefer zu erkennen, wie kostbar die Liebe Jesu Christi ist, der uns aus Verstrickungen und Ängsten erlösen will. Amen.

Lesung: Apg 4, 32-35
„Jedem wurde so viel zugeteilt, wie er nötig hatte.“ – Die Vision von einer barmherzigen Gemeinschaft! Könnte der Kontrast größer sein zum kapitalistischen System der Profitmaximierung?

Stille

Aus dem Psalm 118
Das ist der Tag, den der Herr gemacht; lasst uns frohlocken und seiner uns freuen.
Danket dem Herrn, denn er ist gütig; seine Huld währt ewig.
In der Bedrängnis rief ich zum Herrn; der Herr hat mich erhört und mich frei gemacht.
Der Herr ist bei mir, ich fürchte mich nicht. Er ist mein Helfer.
Besser, sich zu bergen beim Herrn, als auf Fürsten zu bauen.
Meine Stärke und mein Lied ist der Herr; er ist für mich zum Retter geworden.
Das ist der Tag, den der Herr gemacht; lasst uns frohlocken und seiner uns freuen.

Evangelium: Joh 20, 19-31
Gedanken dazu:
In die Situation der Jüngerinnen und Jünger kann ich mich gut hineinversetzen. Auch in ihre Gemütsverfassung. Sie waren ängstlich, hatten sich zurückgezogen, abgeschottet. Sie wollten wohl nicht erkannt werden als die Anhänger des zum Tode verurteilten Gotteslästerers und Aufrührers. Oder gar von anderen angesprochen werden, ähnlich wie damals Petrus im Hof des Hohenpriesters: „Wart ihr nicht auch mit diesem Mann aus Galiläa zusammen? Was sagt ihr nun, da er tot und begraben ist?“ Petrus und Johannes hatten zwar das leere Grab gesehen, waren aber dem Auferstandenen noch nicht begegnet. So schildert es der Evangelist Johannes. Und die Erzählung von Maria aus Magdala, sie habe den Herrn gesehen, hatte die anderen vermutlich eher verwirrt als getröstet.

Ich stelle mir vor, dass die Jünger*innen verunsichert waren, traurig, mutlos. Kein Wunder! Wie sollte es weitergehen mit der Frohen Botschaft Jesu? Mit dem versprochenen Reich Gottes? Sollten sie zu ihren Familien und ihren Fischerbooten zurückkehren?

In diese Situation hinein kommt Jesus. Er tritt in ihre Mitte, heißt es. Woran haben sie ihn wohl erkannt? Vielleicht an dem vertrauten Grußwort: „Friede sei mit euch!“ Gleich zweimal spricht er es aus. Vielleicht erkennen sie ihn auch erst, als sie seine Wundmale an den Händen und der Seite sehen. Damit weist er sich als derselbe Jesus aus, der gekreuzigt wurde und starb. Er ist kein Gespenst. Und er hat sich auch nicht aus seiner Geschichte gelöst, die mit Leid und Tod verbunden war. Aber er zeigt sich zugleich als verwandelt. Einer, der sich von verschlossenen Türen nicht hindern lässt.

Bestimmt erkennen die Jünger*innen ihn dann in dem, was er tut: Er sendet sie, wie Gott ihn gesandt hat. Er beauftragt sie mit der Weiterführung seiner Sendung: die Liebe Gottes zu verkünden, zu heilen, zu vergeben, am Reich des Friedens mitzubauen.

Ich denke, von niemandem anders als von Jesus hätten sie sich ANHAUCHEN lassen. Er hatte ihnen einen Beistand versprochen, den Heiligen Geist, der tröstet, stärkt und ermutigt. Den Geist, der die Wahrheit offenbart. Und nun löst Jesus sein Versprechen ein und lässt sie den göttlichen Geist empfangen.
Als ich die Stelle las: „Er hauchte sie an“, fiel mir zum ersten Mal die Parallele zur Schöpfungserzählung auf. Gott formt den Menschen aus Erde und bläst ihm den Lebensatem ein. Im Hebräischen sind „Hauch“ und „Geist“ ja dasselbe Wort. Mit dem göttlichen Hauch wird der Mensch lebendig. Mit dem Anhauchen Jesu werden die Jünger*innen wieder lebendig. Ein vorweggenommenes Pfingsten, in dem der göttliche Geist die Angst vertreibt, die Türen öffnet, die Sendung der Jünger*innen in die Welt möglich macht. Er, Jesus Christus, ist das Leben. Der Weg, die Wahrheit und das Leben, wie er von sich selbst gesagt hat.

Noch eine andere Parallele zum Schöpfungsmythos kann ich sehen: Am ersten Tag  schuf Gott das Licht und schied Tag und Nacht, so die großartige Beschreibung in den ersten Versen des Buches Genesis. Vor diesem ersten Schöpfungstag war die Erde wüst, wirr und leer und über der Urflut herrschte Finsternis. Dieser Zustand kommt mit Gottes Schöpferwort an ein Ende. So auch im Osterbericht des heutigen Evangeliums: Es ist der erste Tag der Woche. Der Tag, der Licht in die Finsternis wirft. „Ich bin das Licht für die Welt“, hatte Jesus gesagt. Die Verwirrung der Jünger*innen, die beängstigende Leere in ihren Herzen kommt an ein Ende. Jesus ist auferstanden in ein neues Leben. Und das Leben der Jünger*innen kann nun ebenso neu werden.

Das gilt auch für Thomas. Er wird oftmals der „ungläubige Thomas“ genannt; dabei ist er doch einer der ersten, die den Auferstandenen als „mein Herr und mein Gott“ ansprechen. Ja, er wollte ihn sehen, sogar berühren. Wollte sich vergewissern, dass Jesus kein Trugbild ist. Jesus scheint das zu verstehen, kommt seinem Anliegen entgegen. Doch der Evangelist erzählt nicht, dass Thomas tatsächlich seine Hand in Jesu Seite gelegt hätte. Er ist schon durch die Begegnung mit Jesus zum Glauben gekommen. Ein Glaube, der ihn zum Apostel macht, zum Gesandten Gottes in fremde Länder. Die Überlieferung sagt, dass Thomas als Missionar bis Indien gereist ist, wo er als Märtyrer starb. Er wird noch heute dort verehrt und die Thomas-Christen berufen sich auf ihn. 
„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“, sagt Jesus. Damit spricht er uns an. Wir können von keinen direkten Begegnungen mit dem auferstandenen Jesus berichten, bevor er zu seinem Vater zurückkehrte. Wir können dennoch glauben. Wir können den Menschen vertrauen, die seit über 2000 Jahren von ihm erzählen und seine Botschaft glaubwürdig weiter verkünden. Wir können seine Nähe spüren, in der Stille, im Gebet, vor allem in besonders frohen oder schweren Stunden. Wir können seinem Wort begegnen, wann immer wir in der Bibel lesen. Wir können seine Gegenwart erfahren in den Zeichen von Brot und Wein, in der Kommunion. Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, ist er mitten unter ihnen. Unter uns, auch heute.

In der Nachfolge Jesu Christi können wir seine Worte auch an uns gerichtet hören: „Friede sei mit euch!“ – Uns ist der Friede Christi zugesagt. Je mehr dieser uns im Innersten erfüllt, desto mehr können wir ihn weitergeben und uns für eine friedliche Welt einsetzen.

„Empfangt den Heiligen Geist!“ – Wir sind alle geistbegabt. Nicht nur die Bischöfe und Priester. Wir dürfen segnen, die Heilige Schrift auslegen, Verantwortung für die Zukunft unserer Kirche übernehmen.

„Ich sende euch.“ – Wir sind Gesandte Jesu Christi. An dem Ort, an dem wir stehen, in Beruf und Familie, in Gesellschaft und Kirche können wir unseren Beitrag leisten zum Wachsen des Reiches Gottes. Wem wir vergeben, dem ist vergeben. Unsere Kraft zur Vergebung wird von Gott anerkannt und bestätigt. Ich hoffe, dass wir diese Kraft spüren und einsetzen – und dass wir die Vergebung so gut wie nie verweigern! Denn auch Gott selbst vergibt, unendlich großzügig; seine Liebe und Treue sind sogar bedingungslos.

Er ist ein barmherziger Gott. Das dürfen wir uns am heutigen Sonntag der Barmherzigkeit bewusst machen. Das ist aber zugleich die große Herausforderung an uns: „Seid barmherzig, wie euer himmlischer Vater barmherzig ist!“
Das bedeutet: Türen öffnen! Ich denke an die Menschen in den Elendslagern in Libyen, im Libanon, in Griechenland, in Bosnien. An die Armen und Gestrandeten in unseren Großstädten. An die Arbeitslosen und Strafgefangenen, die auf eine zweite Chance hoffen. An die misshandelten und vernachlässigten Kinder.
Hören wir nicht auf nachzudenken, wo wir uns einsetzen, wie wir helfen können! Lassen wir unsere Ängste los und öffnen wir unsere Tür! Denn Licht und Leben sind uns zugesagt, der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Lied (GL 385)
Nun saget Dank und lobt den Herren, denn groß ist seine Freundlichkeit
und seine Gnad und Güte währen von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Du, Gottes Volk, sollst es verkünden: Groß ist des Herrn Barmherzigkeit;
er will sich selbst mit uns verbünden und wird uns tragen durch die Zeit.

Fürbitten

Gott will das Heil aller Menschen. Wir legen ihm ans Herz:
  • alle, die Verantwortung tragen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft,

damit ihr Tun der Gerechtigkeit und dem Frieden dient;
  • alle, denen das Lebensnotwendige fehlt, auf dass sie Hilfe finden;
  • alle, denen Schweres auf dem Herzen liegt, damit sie aufatmen können und leben;
  • alle, die ein Scheitern hinter sich haben, auf dass sie neu beginnen können;
  • alle, die satt und zufrieden sind, damit sie ihre Herzen, ihre Hände und ihre Türen öffnen.

Gütiger und treuer Gott! Höre unsere Bitten, wende dich uns zu und gib uns, was gut für uns ist! Amen.

Segen
Gott, der himmlische Vater, schenke uns seine Liebe. Sein Sohn, Jesus Christus, erfülle uns mit neuem Leben. Der Heilige Geist, die Kraft Gottes in uns, stärke und ermutige uns. Der Segen des barmherzigen Gottes komme auf uns herab und bleibe allezeit bei uns. Amen.